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Es gibt so Momente, da packt mich die Fernweh mit ihrer schwermütigen Faust. Einfach so. Von einem Moment auf den anderen. Plötzlich. Brennend. Ich könnte schreien. Oder ins Auto klettern und davonfahren. Ohne Wiederkehr. Jedenfalls erstmal. Auch einfach so.  Dann mache ich die Augen zu und gehe im Kopf auf Wanderschaft …

Meistens ist es der Norden, der mir dann vor meinem inneren Auge vorschwebt. Manchmal garnicht so weit, die Vestkyst von Dänemark ist so eines meiner Traumziele, menschenleer und erstaunlich wild ausserhalb der kurzen Sommersaison. Ein karges Land unter den beständigen, starken Westwinden. Sandtreiben und ein weiter Himmel über dem raschelnden Dünengras machen es für mich unwiederstehlich.

Oder das blau-gelbe Heimatland der, mit ständig fehlenden Schrauben gesegneten, Billyregale, fast gleich nebenan. Wunderschön im Süden, mit weiten Wäldern und Seen gesegnet in seinen mittleren Breiten und im Norden mit seinen weitgehend noch unberüherten Fjällandschaften. Ich kenne dort viele Ecken, bin über die Jahre auch schon in ganz unterschiedlichen Gegenden gewesen. Hab Rucksäcke geschleppt und fluchend Boote über nicht verzeichnete Portagen geschleppt. Berge von Punschrullen verdrückt. Mich immer wohlgefühlt. Irgendwo in diesem schönen Land in einem roten Holzhaus auf einem Hügel über einem kleinen See gibt es ein fast unverändertes, rosafarbenens Mädchenzimmer aus den frühen 50er Jahren des letzten Jahrhunderts. Die freundliche Dauereinladung es zu nutzen habe ich erst selten in Anspruch genommen, aber ihr immer mal wieder erneuerter Bestand  beruhigt mich in solchen Momenten sehr.

Garnicht soweit weg davon liegt Norwegen. Und auch da gibt es solche Orte. In einem See mit eigenem Ungeheuer am Rande der Telemark liegt eine kleine Halbinsel. Darauf ein Wald mit einer großen Lichtung. Darauf eine Holzhütte über einer Bucht. Rundum die seltsam runden, steilen Hänge zu den Hochfjälls hinauf, in der Nähe eine kleine Stadt voller kerniger Menschen. Mit dieser Lichtung, dem Haus und den Menschen verbinden sich viele gute Erinnerungen, Geschichten und viel dort erlebte, gute Zeit.

Ein anderer Ort, an den ich mich sehr oft denke, ist fern, an Raum und Zeit. Es ist ein nur kurzer Augenblick, der sich aber tief in meinem Kopf festgesetzt hat. Es war gegen  Ende der 70ér Jahre im Südatlantik, weit vor der südamerikanischen Küste. Ich kam am Morgen an Deck und unser vollbeladenes Schiff rollte stark in einer schräg von achtern laufenden See. Es war ein strammer, aber ungewöhnlich warmer Wind, der – selsamer Weise – gegen die recht hohen Restwellen aus einem Sturm weit hinter uns anblies. Das Schiff legte sich in diesem Moment weit über und direkt vor meinen Augen brach eine Welle, direkt seitlich von meinem Standort, grünes Wasser und glitzernder Schaum funkelte in der Morgensonne und für Sekunden, einen Augenblick der Ewigkeit, war es der perfekte Moment, das Erleben von etwas ganz Besonderem!

Die Liste ließe sich noch fortsetzen. Es dauert immer einen Moment, bis ich von dort zurück bin. Es kommt drauf an, wie schlimm der Anfall gerde war oder ist. Meistens koche ich mir dann einen Kaffee, sinniere ein wenig darüber nach und dann ist es gut. War es schlimm, fahre ich vielleicht in die Wiesen, an meine Lieblingsstelle und setze mich – so Sommer und das Sitzen mithin erträglich – eine Weile an den Rand eines träge fließenden Flüsschens. Oder ich nerve ein paar  Freunde mit Bildern von vergangenen Reisen und schreibe dazu „Hey, komm, wir müssten mal wieder …“.

Oder ich packe mein Zelt und meinen Schlafsack ein und fahre davon. Selten. Aber dann ist es ganz schlimm.

Und schön.